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Gedanken zur Ausstellung für b4. 2009
„Wir erwägten natürlich, der Ausstellung einen Titel zu geben. Eine
Erzählung sollte einen Titel haben, damit man weiß, was einen erwartet." *
I.
Ausstellungen, so lehrt uns die Erfahrung, müssen vielen Ansprüchen gerecht werden. Da ist zum Beispiel einerseits der Kunstbetrieb selbst, der mit
großen Erwartungen eine lange und intensive Arbeit mit Künstlern, Kollegen und Freunden beäugt – manchmal gar misstrauisch und wenig wohlwollend,
gerade, wenn die Ausstellung von vermeintlich unerfahrenen, auf jeden Fall unbekannten Kuratoren erarbeitet wurde. Es scheint die einzige Motivation
der Kunstvertreter zu sein, sich, vielen kleinen Wölfen gleich, unmittelbar auf die möglichen Fehler und Ungereimtheiten zu stürzen, die es in einer
solchen Sache immer gibt.
Andererseits sind da diejenigen, die mit ganz gemischten Vorstellungen und aus den unterschiedlichsten Gründen heraus die Räume besuchen. Sei es,
weil einer der Künstler oder gar man selbst mit ihnen befreundet oder verwandt ist, sei es, weil sie zufällig reingestolpert sind. Es spielt keine
Rolle. Man möchte diese Menschen noch weniger enttäuschen, als jene, die von so genannten Berufswegen damit zu tun haben.
Die interdisziplinäre Veranstaltung b4. 2009 besteht nun aber in erster Linie nicht nur aus jener Ausstellung. Da gibt es noch das Buch und das
Diskussionsprogramm, unser Forum Romanum, wenn man so möchte. Alle beschäftigen sich auf ihre Weise mit dem Thema Sprache, in allen ihrer Facetten.
Die Ausstellung bildet einen Teil im Ganzen. Ist es somit nicht umso wichtiger, mutig und entschlossen dieser einen Namen zu geben? Zumindest einen
Titel? Und sei es aus der Verzweiflung heraus, dass wir nur das begreifen, was wir benennen können!
   
II.
Gern sprechen Ausstellungsmacher von einer ‚Erzählung’, wenn sie den Aufbau ihrer Ausstellung zu beschreiben versuchen. Das wirkt erstmal ziemlich
verklärt, romantisiert, platt gar! Irgendetwas zwischen einer Novelle und einer Anekdote kann damit assoziiert werden. Und manchmal sogar zu Recht.
Wir glauben aber dennoch, dass es ein Vorteil sein kann, wenn wir im Gesamtkontext von b4. 2009 diesen Terminus der Erzählung aufgreifen, ohne ihn
überzustrapazieren!
Aber wie kann diese Erzählung aussehen, wenn nicht mal die Grundlage da ist, auf der sie vermerkt werden kann? Bisher fehlt der große oder tragische
Held, es fehlen die Widersacher, gegen die der Protagonist kämpft. Wie kann sie vermittelt werden, wenn sowohl der Inhalt fehlt, wie auch die Sprache,
um sie zum Ausdruck zu bringen?
Eine prekäre Lage: Ein unbändiges Verlangen, die Geschichte zu erzählen und zu präsentieren, konfrontiert mit einem Zustand der Sprachlosigkeit.
Nun, es ist kein neuer Gedanke: Es kann nicht etwas aus Nichts entstehen. Es braucht einen Anfang und eine Entscheidung.
   
III.
Wir befinden uns in einer Situation, in der es in erster Linie um Emotionen geht. Auch wenn wir natürlich in gleicher Weise nach Kunst suchen, die
rationale, philosophische, inhaltlich-fundierte Gedanken enthält, die uns etwas lehrt, uns zum nachdenken anregt, so ist es in erster Linie das Gefühl,
was uns leitet. Das Gefühl, welches wir bei den Künstlern suchen. Oder auch das genaue Gegenteil, so dass wir uns eventuell unwohl fühlen.
Und so ist es vielleicht mehr als nur notwendig, anzunehmen, dass die Ausstellung einem Liebesbrief gleicht. Der Liebesbrief als der Beginn aller
Dinge! Verbunden mit Verlangen und Begehren, unerfüllter Natur.
Der Liebesbrief ist der Anfang von Etwas im Raume des Nichts!
Betrachtet man den Typus des Liebesbriefs, so ist dieser einerseits verbunden mit einer weiten gesellschaftlichen Verbreitung, der sich entlang
der populären Schreibmedien ausdifferenzieren lässt, unabhängig von Geschlecht und Alter. Andererseits ist er eine unmittelbare Art des Kommunizierens.
Es geht um Gespräche sowie Kommunikationskonstellationen und –verhältnisse. Ein Ringen mit sich und einem Gegenüber. Denn immer auch schreibt man diese
Briefe für sich. Anklagend, melancholisch, traurig, euphorisch, glücklich. In stetiger Veränderung und Erneuerung. Texte in Situationen, unabhängig
der Medien, als Kommunikation zwischen Menschen.
Doch, an wen sollte sich der Brief nun richten?
Ist es überhaupt notwendig, sich festzulegen, für wen dieser Liebesbrief, den wir Ausstellung nennen, formuliert wird? Vermutlich geht es gar nicht
darum und sollte es auch nicht geben. Denn vielleicht ist alles auch nur eine Metapher.
Und doch: So wie der Liebesbrief mit seinem Begehren, Zwiegespräch und Schmerz am Anfang von Allem steht, so ist auch die Ausstellung - am Anfang
ihres Entstehens - zu verstehen!
Mai 2007
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* Rudi H. Fuchs, Einführung in: AK Kassel:
documenta 7, D + V Paul Dierichs GmbH & Co KG,
1982, Band 1, S. XIII.
 

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