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19.23. Juli 2006 Kunsthochschule Kassel Co-Kuratorin: Saskia Unterberg Betreuung Rundgang: Bernhard Prinz Gestaltung: Konrad Polzer, artechodesign
Säulengang06 WIE MEINE HOFFNUNG SICH ERHEBT IN DIESEN HEILIGEN HALLEN! Unrealisierte Ausstellung
Konzept Idee Zum Abschluss des Sommersemesters 2006 präsentierte sich die Kunsthochschule in der Universität Kassel im Rahmen des alljährlich stattfindenden Rundgangs. In diesem Rahmen sollte erstmals der Säulengang von einem*einer Studierende*n der Kunstwissenschaft kuratorisch einbezogen werden. Das nachstehende, weitestgehend finale Konzept, im Mai 2006 für die vorgeschlagene Ausstellung „Säulengang06 – WIE MEINE HOFFNUNG SICH ERHEBT IN DIESEN HEILIGEN HALLEN verfasst (und im Juli 2025 orthografisch und grammatikalisch leicht korrigiert und sprachlich angepasst), wurde seinerzeit seitens des betreuenden Professors abgelehnt. So blieb die Ausstellung für immer unrealisiert. Einführung Säulengang06 – WIE MEINE HOFFNUNG SICH ERHEBT IN DIESEN HEILIGEN HALLEN ist eine Ausstellung, die versucht, das erwartungsvolle Spannungsverhältnis zwischen jungen Künstler*innen und ihrer Umwelt auszuloten. Ausgangspunkt ist dabei die Raum- und Präsentationssituation eines konventionellen Rundgangs an der Kunsthochschule Kassel. Überlegungen zu den nicht immer klar ersichtlichen Auswahlkriterien der Werke sowie deren Präsentation bzw. Hängung im Rahmen des Rundgangs fließen in die Arbeit zu Säulengang mit ein. Die Koordinaten und Möglichkeiten einer Ausstellung sind im gegebenen Hochschulkontext das zentrale Thema und poetisch im Titel verankert. Es geht um die Auslotung von Grenzen, sowohl territorial, also bezogen auf den vorgegebenen Raum, als auch imaginativ. Daraus ergibt sich ein erster konzeptueller Dreischritt: Raum, Kunstwerk und Imagination. Dieser wird sich auf unterschiedliche Weise in der Ausstellung widerspiegeln. Doch ist diese Überlegung nicht aus der Not geboren. Und dies ist auch nicht das Thema von Säulengang06. Vielmehr handelt es sich um eine Reaktion auf das, was sich – ausgehend von einer gesellschaftlichen Haltung gegenüber Kunst – im Mikrokosmos Kunsthochschule spiegelt. Diese Haltung bildet eine Art Prämisse für das Verständnis des Ausstellungsaufbaus. Sucht man nach einer Referenz für die Ausstellung, wird deutlich: Junge Künstler*innen an der Kunsthochschule bewegen sich stets in einem sie umgebenden Erwartungsfeld. Das ist zunächst nicht ungewöhnlich, schließlich trägt ein junger Mensch idealerweise eine zukunftsgerichtete Spannung in sich, die eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit sich selbst, seiner Umwelt und seinem Tun bedingt. Künstler*innen jedoch haben – im Unterschied zu nicht-künstlerisch Tätigen – die Möglichkeit, diese Auseinandersetzung in einem Schaffensprozess zu bündeln, zuzuspitzen oder sichtbar zu machen. Dieser Prozess beruht auf dem Glauben und der Hoffnung, dass sich die gegebene Umwelt durch Kunst verändern lässt. Die genannten Erwartungen äußern sich auf unterschiedliche Weise. Ob naiv oder berechnend ist dabei weniger entscheidend als die Tatsache, dass stets ein Motiv der Hoffnung in diesen Prozessen mitschwingt; eine Hoffnung, die sich in vielfältigen Phasen des Schaffens in den Arbeiten widerspiegelt. Diese Überlegung ist keineswegs rein selbstreferenziell, sondern bezieht auch Begriffe ein, die außerhalb des künstlerischen Arbeitens liegen und stellt damit ein durchaus bewusst eingegangenes Wagnis dar. Thematisiert wird dabei ebenso die Frage nach dem Selbstverständnis von Kunst wie auch die Unsicherheit darüber, welche Position Künstler*innen in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft einnehmen können oder sollen. Sie bewegen sich in einem Spannungsverhältnis zu bereits etablierten Strukturen, die ihnen wenig Raum für eigenes Schaffen lassen. Künstlerisches Wirken ist somit stets auch ein Eindringen in bestehende Ordnungssysteme, konfrontiert mit einem Katalog an Kategorien, Begriffen, theoretischen oder analytisch-rationalen Erwartungen. Doch will das die Kunst? Gibt sie nicht bereits an dieser Stelle ihre ureigenen Prinzipien preis, wenn sie auf die Freiheit verzichtet, immer wieder neue Perspektiven in einer sich wandelnden Welt einzunehmen? Ein rund vierminütiges Video empfängt die Besucher*innen am Eingang der Ausstellung und soll eine Verbindung zwischen den verschiedenen künstlerischen Haltungen ermöglichen. Eine Balletttänzerin „betanzt“ die Ausstellung und bringt so eine interdisziplinäre Dimension ein. Diese Form künstlerischen Ausdrucks erscheint im Hochschulkontext zunächst ungewöhnlich. Doch ihr Einsatz ist weder rein ästhetischer noch dekorativer Natur. Vielmehr hinterfragt er auf direkte – vielleicht pathetische – Weise das Selbstverständnis von Kunst, ohne es zu bewerten. Dadurch, dass die Tänzerin jede Arbeit passiert, werden auch die räumlichen Grenzen thematisiert und in Beziehung zu den Werken gesetzt. Der imaginative wie der physische Raum treten durch den Tanz in ein neues Verhältnis zueinander. Anders als beim traditionellen Rundgang wird Säulengang06 die Ausstellungssituation konsequent nach den Bedürfnissen der Kunst gestalten. Der Anspruch zieht sich durch alle Aspekte der Ausstellung. Der radikalste Schritt dabei: den Arbeiten keine weißen Wände zu bieten. Die nervöse Raumsituation mit zwei durchgehenden Fensterfronten lässt eine interventionslose Hängung ohnehin nicht zu. Während Weiß alle einfallenden Farben und Lichtreflexe spiegelt und vom Werk ablenkt, wird ein grauer Anstrich die Aufmerksamkeit stärker auf die Kunstwerke lenken. Zudem werden exponierte Fenster mit halbtransparentem Papier verhangen. Säulengang06 möchte die bestehenden Strukturen nicht kritisieren – im Gegenteil. Indem die Ausstellung den jungen Künstler*innen einen eigenen Raum eröffnet, können sich ihre individuellen Hoffnungen und Erwartungen entfalten: über sich, ihre Arbeit, ihre Umwelt, über die Gesellschaft. Diese Möglichkeit versteht sich nicht als agitative Plattform, auf der Meinungen plakativ propagiert werden. Hoffnung künstlerisch darstellen heißt vielmehr, mit Emotionen zu arbeiten, die oft in einer stillen Form von Hilf- oder Schutzlosigkeit erscheinen. Eine Hoffnung, die intuitiv an etwas glaubt, das bereits verloren schien oder angesichts von Resignation und Ohnmacht als selbstverständlich galt. Eine Haltung freier, verantwortlicher und leidenschaftlicher Subjektivität. Eine Haltung, die auch dem*der Kunstvermittler*in zukommen sollte. Und sei es nur, um einer kapitalistischen Maschine, die oft Mutlosigkeit produziert, etwas entgegenzusetzen. Diesen Anspruch macht sich Säulengang06 zum Leitmotiv. Die Ausstellung lässt die Arbeiten kommunizieren, miteinander in Beziehung treten. Sie schafft bewusst Freiräume: dort, wo sich der*die Besucher*in bewegt, zwischen den Arbeiten, durch den Dialog. Das eingangs platzierte Video möchte diesen Dialog anstoßen. Säulengang06 lässt sowohl rationale Prinzipien als auch emotionale Erfahrungsräume zu – im einfachen, aber folgenreichen Akt der Hoffnung. Mai 2006 | Juli 2025
Foto: Marion Koch
Säulengang06 WIE MEINE HOFFNUNG SICH ERHEBT IN DIESEN HEILIGEN HALLEN! Unrealisierte Ausstellung
Konzept Idee Zum Abschluss des Sommersemesters 2006 präsentierte sich die Kunsthochschule in der Universität Kassel im Rahmen des alljährlich stattfindenden Rundgangs. In diesem Rahmen sollte erstmals der Säulengang von einem*einer Studierende*n der Kunstwissenschaft kuratorisch einbezogen werden. Das nachstehende, weitestgehend finale Konzept, im Mai 2006 für die vorgeschlagene Ausstellung „Säulengang06 – WIE MEINE HOFFNUNG SICH ERHEBT IN DIESEN HEILIGEN HALLEN“ verfasst (und im Juli 2025 orthografisch und grammatikalisch leicht korrigiert und sprachlich angepasst), wurde seinerzeit seitens des betreuenden Professors abgelehnt. So blieb die Ausstellung für immer unrealisiert. Einführung Säulengang06 – WIE MEINE HOFFNUNG SICH ERHEBT IN DIESEN HEILIGEN HALLEN ist eine Ausstellung, die versucht, das erwartungsvolle Spannungsverhältnis zwischen jungen Künstler*innen und ihrer Umwelt auszuloten. Ausgangspunkt ist dabei die Raum- und Präsentationssituation eines konventionellen Rundgangs an der Kunsthochschule Kassel. Überlegungen zu den nicht immer klar ersichtlichen Auswahlkriterien der Werke sowie deren Präsentation bzw. Hängung im Rahmen des Rundgangs fließen in die Arbeit zu Säulengang mit ein. Die Koordinaten und Möglichkeiten einer Ausstellung sind im gegebenen Hochschulkontext das zentrale Thema und poetisch im Titel verankert. Es geht um die Auslotung von Grenzen, sowohl territorial, also bezogen auf den vorgegebenen Raum, als auch imaginativ. Daraus ergibt sich ein erster konzeptueller Dreischritt: Raum, Kunstwerk und Imagination. Dieser wird sich auf unterschiedliche Weise in der Ausstellung widerspiegeln. Doch ist diese Überlegung nicht aus der Not geboren. Und dies ist auch nicht das Thema von Säulengang06. Vielmehr handelt es sich um eine Reaktion auf das, was sich – ausgehend von einer gesellschaftlichen Haltung gegenüber Kunst – im Mikrokosmos Kunsthochschule spiegelt. Diese Haltung bildet eine Art Prämisse für das Verständnis des Ausstellungsaufbaus. Sucht man nach einer Referenz für die Ausstellung, wird deutlich: Junge Künstler*innen an der Kunsthochschule bewegen sich stets in einem sie umgebenden Erwartungsfeld. Das ist zunächst nicht ungewöhnlich, schließlich trägt ein junger Mensch idealerweise eine zukunftsgerichtete Spannung in sich, die eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit sich selbst, seiner Umwelt und seinem Tun bedingt. Künstler*innen jedoch haben – im Unterschied zu nicht-künstlerisch Tätigen – die Möglichkeit, diese Auseinandersetzung in einem Schaffensprozess zu bündeln, zuzuspitzen oder sichtbar zu machen. Dieser Prozess beruht auf dem Glauben und der Hoffnung, dass sich die gegebene Umwelt durch Kunst verändern lässt. Die genannten Erwartungen äußern sich auf unterschiedliche Weise. Ob naiv oder berechnend ist dabei weniger entscheidend als die Tatsache, dass stets ein Motiv der Hoffnung in diesen Prozessen mitschwingt; eine Hoffnung, die sich in vielfältigen Phasen des Schaffens in den Arbeiten widerspiegelt. Diese Überlegung ist keineswegs rein selbstreferenziell, sondern bezieht auch Begriffe ein, die außerhalb des künstlerischen Arbeitens liegen und stellt damit ein durchaus bewusst eingegangenes Wagnis dar. Thematisiert wird dabei ebenso die Frage nach dem Selbstverständnis von Kunst wie auch die Unsicherheit darüber, welche Position Künstler*innen in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft einnehmen können oder sollen. Sie bewegen sich in einem Spannungsverhältnis zu bereits etablierten Strukturen, die ihnen wenig Raum für eigenes Schaffen lassen. Künstlerisches Wirken ist somit stets auch ein Eindringen in bestehende Ordnungssysteme, konfrontiert mit einem Katalog an Kategorien, Begriffen, theoretischen oder analytisch-rationalen Erwartungen. Doch will das die Kunst? Gibt sie nicht bereits an dieser Stelle ihre ureigenen Prinzipien preis, wenn sie auf die Freiheit verzichtet, immer wieder neue Perspektiven in einer sich wandelnden Welt einzunehmen? Ein rund vierminütiges Video empfängt die Besucher*innen am Eingang der Ausstellung und soll eine Verbindung zwischen den verschiedenen künstlerischen Haltungen ermöglichen. Eine Balletttänzerin „betanzt“ die Ausstellung und bringt so eine interdisziplinäre Dimension ein. Diese Form künstlerischen Ausdrucks erscheint im Hochschulkontext zunächst ungewöhnlich. Doch ihr Einsatz ist weder rein ästhetischer noch dekorativer Natur. Vielmehr hinterfragt er auf direkte – vielleicht pathetische – Weise das Selbstverständnis von Kunst, ohne es zu bewerten. Dadurch, dass die Tänzerin jede Arbeit passiert, werden auch die räumlichen Grenzen thematisiert und in Beziehung zu den Werken gesetzt. Der imaginative wie der physische Raum treten durch den Tanz in ein neues Verhältnis zueinander. Anders als beim traditionellen Rundgang wird Säulengang06 die Ausstellungssituation konsequent nach den Bedürfnissen der Kunst gestalten. Der Anspruch zieht sich durch alle Aspekte der Ausstellung. Der radikalste Schritt dabei: den Arbeiten keine weißen Wände zu bieten. Die nervöse Raumsituation mit zwei durchgehenden Fensterfronten lässt eine interventionslose Hängung ohnehin nicht zu. Während Weiß alle einfallenden Farben und Lichtreflexe spiegelt und vom Werk ablenkt, wird ein grauer Anstrich die Aufmerksamkeit stärker auf die Kunstwerke lenken. Zudem werden exponierte Fenster mit halbtransparentem Papier verhangen. Säulengang06 möchte die bestehenden Strukturen nicht kritisieren – im Gegenteil. Indem die Ausstellung den jungen Künstler*innen einen eigenen Raum eröffnet, können sich ihre individuellen Hoffnungen und Erwartungen entfalten: über sich, ihre Arbeit, ihre Umwelt, über die Gesellschaft. Diese Möglichkeit versteht sich nicht als agitative Plattform, auf der Meinungen plakativ propagiert werden. Hoffnung künstlerisch darstellen heißt vielmehr, mit Emotionen zu arbeiten, die oft in einer stillen Form von Hilf- oder Schutzlosigkeit erscheinen. Eine Hoffnung, die intuitiv an etwas glaubt, das bereits verloren schien oder angesichts von Resignation und Ohnmacht als selbstverständlich galt. Eine Haltung freier, verantwortlicher und leidenschaftlicher Subjektivität. Eine Haltung, die auch dem*der Kunstvermittler*in zukommen sollte. Und sei es nur, um einer kapitalistischen Maschine, die oft Mutlosigkeit produziert, etwas entgegenzusetzen. Diesen Anspruch macht sich Säulengang06 zum Leitmotiv. Die Ausstellung lässt die Arbeiten kommunizieren, miteinander in Beziehung treten. Sie schafft bewusst Freiräume: dort, wo sich der*die Besucher*in bewegt, zwischen den Arbeiten, durch den Dialog. Das eingangs platzierte Video möchte diesen Dialog anstoßen. Säulengang06 lässt sowohl rationale Prinzipien als auch emotionale Erfahrungsräume zu – im einfachen, aber folgenreichen Akt der Hoffnung. Mai 2006 | Juli 2025
19.23. Juli 2006 Kunsthochschule Kassel Co-Kuratorin: Saskia Unterberg Betreuung Rundgang: Bernhard Prinz Gestaltung: Konrad Polzer, artechodesign
Foto: Marion Koch
Dr. Simon Großpietsch
Dr. Simon Großpietsch