in dubio

4. Akt

Sie fragen mich, warum ich nun schon wieder weine. Dabei weiß ich selbst
keine Antwort. Warum ich mich so hängen lasse. Wo ist mein Antrieb, meine
Motivation?
Ich bin es so leid! Die Tränen laufen einfach. Sie fragen nicht um
Erlaubnis, fragen nicht, ob sie mich bloßstellen dürfen. Wenn ich mich
wehre, dann laufen sie erst recht. Zwecklos sind die Versuche sich
aufzulehnen und dagegen anzukommen.

Heute bin ich wieder schwach.

Außen weint es. Innen schmerzt es. A viscious-circle. Ein Teufelskreis. Der
Schmerz ist ebenfalls so etwas Ungeheuerliches, was ich nicht aufhalten
kann.
Wie ein Tier hat er mich überfallen, eingenommen. Und seitdem nicht mehr
losgelassen. Ich weiß nicht, wie lang das nun schon her ist. Und warum er
mich auswählte. Tatsache ist: er ist da.
Manchmal leben wir ganz gut zusammen. Der Schmerz und ich. Das ist meistens
dann, wenn er schläft und sich ausruht. Dann ist es so, als ob ich mich gut
fühle.
Doch oft erwacht er. Einfach so. Wenn er mich ärgern will, lähmt er mich.
Das passiert, wenn ich mich lange nicht bewegt habe. Er ist kein Freund der
Lethargie. Wenn er launisch oder wütend ist, fährt er tief in mich hinein.
Er greift mein Herz und bohrt sich langsam durch. Zieht an einem Strang, so
dass ich nicht mehr atmen kann. Das sind Momente, in denen es mich innerlich
zu zerreißen droht. Wie so oft. Zu oft.

Ein kurzer Augenblick nach einem langen Kampf  dann ist Ruhe. Angst macht
sich breit. Sie breitet sich in mir aus wie ein Heer von Soldaten.
Schussbereit. Das Ziel im Visier.
Die Angst ist die Schwester des Schmerzes. Sie mögen sich und freuen sich
gemeinsame Zeit zu erleben. In mir. Dann gehen sie Hand in Hand. Stolz
tragen sie ihre Attribute mit sich. Sie kontrollieren mich.

Ein Seufzer und sie ziehen in meinen Kopf. Bin hilflos! Rastlos! Mein Kopf
dröhnt und meine Gedanken werden lauter.
Unzerstörbares Crescendo! Ein Orchester herrscht in meinem Kopf! Die
Instrumente ­ schreien sie mich an?
Ein Konzert der Sinne. Benebelt von den andauernden Eindrücken und
Einflüssen lasse ich die unkoodinierten Paukenschläge über mich ergehen.

Der Schlussakt ­ wie brenzlig.

Ich muss zur Ruhe kommen. Atmen will ich. Leben will ich.
Meine Augen schmerzen, denn mein Körper hat Besitz ergriffen und schwingt
das Zepter der Macht um sich.

Ich bin die Anspannung. Wer mich begreifen will, wer mich berühren will,
entfacht tausend kleine Feuer auf meiner Haut.
Ist das richtig? Wer ist noch so mutig und wagt das Spiel mit dem Feuer?
Denn in mir brennt es lichterloh.

Ich muss stark sein. Ich will stark sein. Das Orchester will ich spielen
hören. Lasst es mich spüren, damit der Schmerz mich nicht lähmt, damit die
Angst mich nicht mehr schrecken kann und damit ich endlich weiß wer ich bin!
 
 
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